Deutsche Sprache: Befassung mit Begriff "Open Government"
Hallo zusammen,
anlässlich der gestrigen (kurzen) Diskussion zu Anglizismen wie "Open Government" bei Forum Offene Stadt und ob der Begriff für die Akteure in der öffentlichen Verwaltung übersetzt oder adaptiert gehört, halte ich es sinnvoll, die entsprechenden Gremien wie das Institut für deutsche Sprache (bei mir in Mannheim), den Rat für deutsche Sprache und den Rat für deutsche Rechtschreibung anzurufen, um sich mit dem Umgang mit dem Begriff "Open Government" zu befassen.
Ich werde bei der Forderung, für Open Government (insbesondere bei der Kommunalverwaltung) besser einen deutschen Begriff zu verwenden immer latent emotional (täglich grüßt das Murmeltier).
Aus vielerlei Gründen in zwei Dimensionen, weil:
1) die Akteure einen großteil des globalen Wissenschatzes und Kontext ausblenden, wenn diese eine Suchmaschine mit dem String "offene Verwaltung" bemühen und nicht mit "OPen Government" (so wie die Franzosen mit "données ouvertes" für open data, tsts..)
2) die Abgrenzung zwischen Alltagssprache und Behördensprache nun schon hinlänglich zu Hemmnissen zwischen Zivilgesellschaft und öffentlche Verwaltung geführt hat
3) nicht einzusehen ist, dass Behörden eine Extrawurst brauchen, um intellektuell folgen zu können
4) ich vereinzelt einen autoritären Reflex bei der Bedingung unterstelle, sprachlich der Verwaltung entgegen zu kommen, um überhaupt die Chance einer thematischen Akzeptanz zu haben
5) man sich wundern muss, wenn Akademiker der öffentlichen Verwaltung sich internationalen Begriffen verweigern bzw. ohnehin in internationaler Sprache schwach auf der Brust sind - während die restlichen Leistungsträger und Wissensproduzenten der Gesellschaft sich auf Englisch miteinender befassen, um überleben zu können.
6) es auch eine Sache der europäischen Kohäsion in Verwaltungsfragen ist (es gibt genügend Work Programmes der EU für die öffentliche Verwaltung die NICHT auf deutsch übersetzt werden)
Interessant ist hierbei, dass ich beim (auch noch privatwirtschaftlichen Marketingbegriff von Cisco/IBM) "Smart City" eine solche Forderung aus der öffentlichen Verwaltung noch nie gehört habe, was mich vermuten lässt: Wo's Geld und Tech gibt spielt man mit, da wo man selbst in die Bütt muss taktiert man mit fingierten Sprachbarrieren dagegen.
Zudem, und dies ist vielleicht am wichtigsten, ist Soziale Innovation immer eine Auseinandersetzung im Diskursiven Raum über Deutung und Deutungshoheit - der Artikulation - insbesonders beim "Befüllen" von Begriffen als leere Signifikanten mit Sinn Bedeutungsbeziehungen.
Ich habe das hier mal im Kontext von "Open Government - Back to the Future" erörtert:
https://www.oliverrack.eu/backtothefuture
Im Übergang von "Open Government" zu "offenes Verwaltungshandeln" verändert sich allein schon die Bedeutung durch die weiter gefasste Bedeutung von Government als politisch-hierarchische Führung öffentlicher Institutionen und der Aparat an sich (m.E. Open als zu erreichender Zustand) und wird ja auch sperrig als "offenes Regierungs- u. Verwaltungshandeln" (als Handlungsprinzip oder sogar Haltung) oder wie in der Arbeitsdefinition von Modellkommune Open Government des BMI als "Öffnung von (Lokal)politik und (Kommunal)verwaltung" (also als geschehender [aktiv/passiv unklar] Prozess) in deutsch ausgedrückt bzw. gedeutet.
Das zeigt 1) das "Open Government" ein (einstiger) leerer Signifikant ist, der zum einen noch in der diskursiven Befüllung ist und 2) die möglichen Effekte der zu frühen Verengung oder Veränderung von Bedeutung durch eine Übersetzung.
Faktisch stellt ein übersetzter Begriff wieder eine neue leere Signifikante dar, die dann ohne Bedeutungsbeziehung in eine internationale Diskursorganisation eine stark veränderte Bedeutungskonstruktion erhalten kann.
(Deswegen bin ich auch sehr empfindlich, wenn wie letztes Jahr mit der Schwächung des OGP-Value 4 "Technologie und Innovation für Partizipation und Co-Creation" bei den NAP-Prüfsteinen per Federstrich, die OGP an der Bedeutungskonstruktion herumschraubt, um das Value Public Accountability in den NAPs zu stärken und das die Bundesregierung bei den deutschen Prüfsteinen einfach so übernimmt.)
https://www.opengovpartnership.org/wp-content/uploads/2017/05/OGPvaluesguidancenote_0.pdf
Es mag sich zwar momentan in Sachen Bewusstseinsbildung "Open Government" prosperierend anfühlen (OGP-Teilnahme u -Sitz, OG-Labore ein erfolgreiche Veranstaltung Forum offene Stadt etc), aber klar ist auch, dass es noch Bundesländer gibt, die bei dieser Bewusstseinsbildung auf dem Stand 2008 sind, genauso wie ungefähr 95% der Kommunen - zudem gibt es auch ausreichend Kritiker. Genug Raum also, an Open Gov nach belieben rum- und umzudeuteln und zu torpedieren. Auch von den Publikumsmedien, wichtige Faktoren bei der Bildung von Bedeutungsbeziehungen, brauchen wir bis auf Weiteres nich sonderlich zu hoffen.
Ich bin deswegen 1) sehr dafür, hier Vorsicht walten zu lassen und sich nicht auf Übersetzungsdiskussionen einzulassen und 2) dass wir als Netzwerk hierzu den Kontakt mit unseren Sprach-Gremien aufnehmen.
Am 22. November 2019 tagt wieder der Rat für deutsche Sprache (diesmal in Bern u nicht wie sonst in Mannheim).
Ich möchte trotz des derzeit erheblichen Aufkommen an Tasks versuchen, ein Schreiben aufzusetzen, das ich - von den Mitgliedern der Strategiegruppe mitgezeichnet- noch vor dem 22. an die drei Gremien per Email versenden möchte. Vielleicht trägt das dazu bei, dass man sich dort in den Pausen zumindest darüber austauscht und man sich entschließt, sich mit "Open Government" als neues relevantes Wort an der Nahtstelle zu Alltagssprache und Behördensprache zu befassen.
Any thoughts? Please!
Viele Grüße
Olli
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Oliver Rack
Open Government Netzwerk
Deutschland
opengovpartnership.de
Strategy Board
P°litics f°r T°m°rr°w
politicsfortomorrow.eu
Board Member
Open Gov & General Affairs
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Oliver Rack
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